BEREIT FÜRS ZUSAMMENZIEHEN?

Mal schlecht drauf oder bis 5 Uhr wach sein, zwei Stunden duschen? Alle diese Gewohnheiten kannst du vergessen, sobald du mit deiner Liebe zusammenwohnst

Stell dir eine lang geplante Fernreise vor. Du freust dich wahnsinnig, hast wochenlang Lodges gecheckt, Flüge verglichen und dafür gesorgt, dass die Kreditkarte gedeckt ist. Alles perfekt vorbereitet. Dann passiert etwas, das möglicherweise nicht auf deiner

Checkliste stand: Das Gepäck ist weg. Oder: Die Lodge wird umgebaut. Oder: Das Schnorcheln ist seit gestern verboten, weil sich eine giftige Quallenart ausbreitet. Vielleicht ärgerst du dich auch nur über das fade Frühstück. Nun die Gewissensfrage: Wie flexi­bel bist du? Wie kommst du mit unvorhersehbaren Ereignissen klar? Brichst du ab oder hälst du durch? Ein ähnliches Abenteuer wie bei einer Reise erwartet dich beim Zusammenzie­hen – nur dass diese beson­dere Reise ins Ungewisse führt und – vielleicht – nie­mals endet. Du kannst vor­ her Listen mit Pro & Cont­ra schreiben, deinen Partner noch mal genau angucken, ob du den fortan wirklich IMMER sehen willst und kannst. Morgens, abends, nachts. Ob ihr beide das aushaltet, werdet ihr endgültig erst im Praxischeck erfah­ren. Doch einige Dinge könnt ihr vorab klären, noch bevor ihr Kartons packt und den Umzugswagen bestellt. Ein kleiner Fahrplan.

Stell dich auf Konflikte ein

Wie jetzt, dein Partner massiert dir nicht jeden Abend die Füße? Er hat auch nicht immer gute Laune? Okay, Veränderung ist normal Missverständnisse sind viel normaler als Harmonie. Einer duscht zu lange, der an­dere stopft den Kühl­schrank zu voll oder lässt die Türen immer knallen. Das sind Dinge, die man schnell klären kann. Aber warte nicht zwei Jahre damit. Du wirst auf Sicht immer neue Seiten am Partner entdecken. Man­che überraschen dich positiv, andere können nerven. Aber sei sicher: Dem anderen geht es ebenso wie dir. Florian Klampfer, Paartherapeut aus Berlin (siehe Inter­view unten), sagt: „Beim Zusammenziehen prallen zwei Welten auf­ einander. Ich lerne nicht nur den Partner, sondern auch mich besser ken­nen: Was sind meine Bedürfnisse, was macht mich aus, was prägt mich? Schwächen vertuschen? Wird auf Dauer Welt, den eigenen Space. Ziehen sie zusammen, haben sie diesen Rückzug nicht mehr. Die Grenze ist aufgeho­ben, das ist nicht risikoarm“, sagt Klampfer.

Finanzen klären

Klingt unsexy, aber grobe Vorabplanung sollte schon sein. Nichts lässt eine Beziehung mehr gären als ungleiche Machtverhältnisse. Am besten legt ihr ein ge­meinsames Konto für Ausgaben wie Miete, Flatrate, Abos, Anschaf­fungen, Lebensmittel und Zweier­Projekte wie Ausgehen, Sport, Urlaube etc. an. Im Idealfall zahlt jeder monatlich das Gleiche ein. Falls der Gehaltsunterschied zu groß ist, könnt ihr den gleichen prozentualen Anteil des Netto­Einkommens als Grundlage nehmen, damit sich die Verteilung fair anfühlt. Tauscht euch immer wieder neu aus, weil sich Umstände ändern.

Teilt euch die Hausarbeit

„84 Prozent der Beziehungen durch eine Putzhilfe gerettet!“ Ja, das wäre eine begehrte Statistik. Gibt’s aber nicht. Prinzipiell sollte niemand die lästigen Dinge allein erledigen müssen. Am besten schaut ihr, wem welche Arbeit besser liegt. Meistens hat jeder Vorlieben („Staubsaugen macht doch Spaß“, „Ich liebe den Wochen­ markt“). Profi-­Planer nutzen ein Whiteboard mit „To Do’s of the Week“ und haken dann abwechselnd ab.

Raum und Zeit für dich

Wie viel Freiraum braucht jeder? Ein wichtiger Punkt, der im Überschwang der Gefühle oft unterschätzt oder vergessen wird. Klärt vorab, ob jeder ein eigenes Zimmer haben möchte oder ob beide ganz zufrieden damit sind, sich Wohnbereich und Schlafzimmer zu teilen. Manche Paare brauchen keine räumliche Trennung, weil sie sich nicht stören. Andere kommen mit nonverbalen Signalen prima zurecht. Wenn du mit Kopfhörern am Tisch sitzt, dürfte der andere kapieren, dass du genau jetzt kein Gespräch führen magst. Immer hilfreich: getrennte Akti­vitäten, etwa wenn er sich montags zum Kickern trifft und sie dienstags zum Tennis geht. Dann hat jeder mal die Bude für sich allein.

Verlottere nicht

Ein weites Feld, das viel mit Respekt dem Partner und dir selbst gegenüber zu tun hat. Nur weil ihr zusammenwohnt, muss dein Partner dich nicht nur noch im Gammel­-Look erleben. Falls es unbedingt die Jogginghose sein muss: Besorge dir die schicke Version, mit der du auch in den Beachclub gehen kannst. Dass man Essplätze ordentlich hinterlässt und Spuren im Badezimmer beseitigt, sollte selbstverständlich sein (ist es aber nicht). Ebenso wie die Sache mit der Intimsphäre. Angefangen damit, dass es weiterhin möglich sein soll, dass jeder ungestört telefonieren/chatten/skypen kann – bis hin zum Badezimmer als Rückzugsort. Im Sinne der Anziehungskraft, wie Klampfer be­tont: „Wenn man die komplette All­tagsebene mitbe­kommt, hat das Auswirkungen auf die Lust, auf das Begehren, auf die Spontanität. Wenn man sich auf der Toilette oder beim Zähneputzen trifft, fehlt die Ebene: „Ich treffe dich, und du hast dich hübsch gemacht.“ Was hilft? Absprachen treffen à la „Wenn ich im Badezimmer bin, dann ist die Tür zu, und du musst warten“. Wenn nötig, eben mit Schild an der Tür. Damit Lust und Begehren sich nicht irgendwann durch die Hintertür verpieseln. Hilft es, sich zum Sex zu verabreden? „Sexualität hat viel mit Spontanität zu tun. Daher bin ich skeptisch, ob man Sex in Dates pressen kann. Das könnte krampfig werden.“ Klampfer empfiehlt Zeitfenster, für die jeder abwechselnd zuständig ist als exklusive „Quality­Time“, die sich beide freihalten. „Lust muss ja nicht nur Sex bedeuten, sondern kann alles Mögliche sein, ob man nun um den See spaziert oder auf dem Sofa kuschelt, aber ohne den Druck, dass unbedingt was passieren muss.“ Und wenn es doch passiert? Umso schöner.

„EINFACH DRUCK RAUSNEHMEN“

Interview mit Florian Klampfer, Therapeut und Coach für Einzel- und Paarberatung bevorzugt für sich selbst getrennte Wohnungen – für den Moment jedenfalls. Informationen: www.beratungspraxis-klampfer.de

Worauf können sich Paare beim Zusammenziehen freuen?

Das Spannende: Man lernt sich noch mal neu kennen und zeigt sich gegenseitig als kompletter Mensch mit allen Stärken und Schwächen. Eine Beziehung besteht ja nicht nur aus positiven Seiten. Wenn ich immer Anteile von mir zurückhalte, kann ich war auch eine Beziehung führen, aber das ist nicht befriedigend. Zusammenziehen ist ein wichtiges Signal: Wir wollen Austausch und Reibung, weil wir uns dadurch weiterentwickeln.

Klingt wenig romantisch ...

Romantik hat ja den Touch, dass man irgendwas lebt und die weniger schönen Teile wegdrängt. Daher habe ich Schwierigkeiten mit Romantik. Klar kann man einen romantischen Abend erleben, aber eine Beziehung hat auch mit Anstrengung zu tun. Es gibt kein besser oder schlechter. Es ist eher eine Frage des Mutes: Wie sehr bin ich bereit, mich komplett einzulassen?

Auf das intensivere Kennenlernen?

Ja. Unbewusst suchen wir uns oft Partner, die unsere Entwicklungsthemen spiegeln. Habe ich jemanden, der extrem strukturiert ist, dann finde ich es anfangs ganz toll. Irgendwann nervt es, doch ich kann davon ausgehen, dass das ein Thema für mich ist. Vielleicht habe ich in mir auch den Wunsch nach mehr Struktur? Das ist das Spannende: wenn das, was mich anfangs total anzieht, später zum Ärgernis wird – aber dafür kann der andere nix. Dann muss man fragen: Wie gehe ich damit um?

Wir haben noch kein Wort über Abwasch verloren …

Abwasch ist auch nicht spannend, der steht immer für etwas anderes und zwar niemals für Teller. Das eigentliche Thema ist ja ein anderes: „Ich fühle mich nicht unterstützt.“ Oder: „Ich habe nicht genug Space für mich.“ Dann entzündet sich das an einem Thema, aber das Thema an sich zu diskutieren ist sinnfrei.

Auf welche Alarmsignale kann ich vorher achten?

Zur Prävention: Vorstellungen austauschen, sich fragen: Was verbinde ich mit dem Zusammenziehen? Warum ist mir das so wichtig? So kann man Missverständnisse aussieben. Konkret fällt oft der Satz: „Wenn wir zusammenziehen, bist du immer für mich da.“ Das ist ein Riesendruck, der erzeugt wird, davor warne ich.

Was hilft noch?

Druck rausnehmen! Dass man sich erlaubt, neue Varianten zu probieren, wenn es mit dem Zusammenwohnen nicht passt. Das ist ja nicht das Ende der Beziehung. Ruhig diesen Entlastungsmoment von vornherein einbauen: Es ist okay, wenn es nicht klappt. Bloß nicht als Scheitern betrachten. Die vielen Modelle der Liebe, diese Freiheiten, die wir heute haben, sind ja unglaublich. Entscheidend ist die Vereinbarung: Wenn es nicht gut geht, lass uns gegensteuern.

Erschienen in Fit For Fun

 
 

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