„99 Prozent geschieht auf nonverbaler Ebene“
Was minimale Bewegungen im Gesicht alles verraten können, weiß der Mimik-Experte Dirk Eilert
So viele verpasste Momente. Vorhin dieser lässige Typ vor der Eisdiele. Was wäre gewesen, wenn ich zurück gelächelt hätte? Stattdessen war ich zu erschrocken, um zu reagieren. Starrte schnell aufs Smartphone, als ob da gerade weltbewegende Dinge geschehen.Würde sich das Leben ändern, wenn man in einem entscheidenden Moment endlich mal Mumm hätte? Womöglich ja. Ein Flirt soll sich eigentlich leicht und spielerisch anfühlen - und genau das fällt uns schwer. Zumal ein Flirtversuch oft nicht mal erkannt wird. In einer US-Studie kam heraus, dass Männer in nur 36 Prozent der Fälle einen Annäherungsversuch erkennen. Das Ergebnis bei den Frauen: noch miserabler! Ihre Trefferquote liegt bei nur 18 Prozent.
„Theoretisch müsste man eine Frau fünfmal anflirten, bevor sie es überhaupt merkt“, bringt Dirk Eilert, Mimikexperte, Coach und Autor von „Was dein Gesicht verrät. Wie wir unsere Mimik und verborgene Körpersignale entschlüsseln” (Droemer Verlag) entschlüsseln und Ihren Traumpartner finden“ das Dilemma ironisch auf den Punkt. Auch auf die Frage, warum Frauen einen Flirt so schwer erkennen, hat Eilert eine Antwort: „Männer flirten subtiler. Sie lächeln zu wenig. Sie denken, dass sie ein entspanntes Gesicht aufsetzen, wirken dabei aber abweisend, ohne es zu wollen. Lächeln ist nicht cool genug“. Schade, denn ein Lächeln ist der kraftvollste Gesichtsausdruck beim Flirten. Alle anderen Signale erfordern ein genaues Scannen, denn es sind feinste Bewegungen (siehe unten), die nur maximal 4 Sekunden in der Mimik erscheinen.
Anhand der Video-Analyse eines Speed-Datings mit 11 Teilnehmern und insgesamt 30 Gesprächen á 3 Minuten konnte Dirk Eilert mit einer Trefferquote von 93 Prozent vorhersagen, ob ein Paar matcht oder nicht. Aus einzelnen Mimik-Signalen während der Gespräche errechnete er den Flirtquotienten: Wenn ebenso viele Positiv-Signale wie Stress-Signale auftauchen und Keine Ablehnungssignale, handelt es sich um einen rosaroten Volltreffer! Flirten ist ein ambivalenter Prozess, der von der Dynamik aus Anziehung und Angst lebt, daher sind Stress-Signale tatsächlich ein gutes Zeichen (siehe unten). Wenig Raum für Interpretationen bleibt dagegen bei den Ablehnungssignalen: geschlossene Körperhaltung (z. B. verschränkte Arme), abgewandter Kopf, Naserümpfen, reglose Mimik, fehlender Blickkontakt. Ziemlich klare Sache. Eilert hat sogar ein absolutes Killersignal herausgefiltert: das einseitige Hochziehen der Oberlippe, erkennbar als ein kurzes Zucken: „Das steht für Verachtung. Wenn dieses Signal kam, war das Spiel definitiv aus. Die meisten Frauen haben währenddessen sogar gelächelt. Das ist fatal, weil kaum erkennbar.“ Im Gegensatz zu Männern lächeln Frauen nämlich eher zu viel, allerdings in der Art des „sozialen Lächelns“ ohne Beteiligung der Augen. Die gute Nachricht: Sobald wir ein echtes Lächeln sehen und nur eine leise Ahnung haben, dass wir gerade angeflirtet werden - dann liegt man mit diesem Verdacht sehr wahrscheinlich richtig.
Drei Fragen helfen bei der Selbsteinschätzung: 1. Bekomme ich positive Signale? 2. Bekomme ich Stress-Signale? 3. Bekomme ich keine Ablehnungssignale?
Die fünf wichtigsten Positiv-Signale
Blickkontakt
In einer Bar sind umherschweifende Blicke typisch für die Suche nach einer Flirtchance. Trefferchance: Die Blicke treffen sich für 2 bis 3 Sekunden - am besten mit einem Lächeln.
Interesse
Alle Sinne sind geöffnet. Im Gesicht erkennbar durch ein leichtes Hochziehen der Augenbrauen und der oberen Augenlider und einen leicht geöffneten Mund. Profis achten auf erweiterte Pupillen.
Lippen schürzen
Der Mund ist leicht geöffnet wie bei einem Kussmund, als ob man „Ooh“ sagt. Im direkten Gespräch bedeuten geschürzte Lippen, dass das Gegenüber beim Zuhören über etwas nachdenkt.
Dreiecksblick
Der Blick wandert von den Augen zum Mund und wieder zurück, bildet also ein Dreieck. „Da geht was“, findet Eilert, der dieses Signal als sexuelles Interesse deutet.
Echte Freude
Wichtigstes Erkennungsmerkmal: Die Augen lachen mit, so dass Fältchen entstehen. Die Mundwinkel zeigen nach schräg oben und die Augendeckfalte ist abgesenkt
Die fünf wichtigsten Stress-Signale
Der Mix aus Freude und Angst gehört beim Flirt einfach dazu. Adrenalin und Noradrenalin bewirken Nervosität. Nicht zu vergessen: die Angst vor einem Korb. Wer Stress-Signale beim Gegenüber bemerkt, kann sich also freuen.
Schnelles Blinzeln
Normalerweise blinzeln wir 10 bis 15 Mal pro Minute, in besonderen Erregungszuständen steigert sich die Blinzelfrequenz auf bis zu 60mal in der Minute.
Vermehrtes Schlucken
Die Worte fühlen sich schwerfällig an, man braucht ständig was zu trinken, denn der Mund ist trocken, man muss häufig schlucken vor Aufregung - ein gutes Zeichen!
Beruhigungsgesten
Bei Nervosität berühren wir uns selbst, denn das beruhigt die Nerven. Frauen spielen mit den Haaren oder am Hals. Männer tasten eher das Kinn ab oder kraulen sich die Bartregion.
Stottern/Wortwiederholungen
Auf einmal wird ein einfacher Satz unheimlich kompliziert. „Ich... ich heiße, ich heiße Arne“ - ein sicheres Indiz für den hohen Stresspegel.
Verlegenheitsgesten
Endlich Kontakt mit dem begehrten Flirt! Herrlich. Aber auch die Fahrigkeit nimmt zu. Wir pressen die Lippen zusammen, lächeln unterdrückt von schräg unten, fummeln uns mit der Hand im Gesicht herum, werden rot.
Interview
„Vergesst den lockeren Anmachspruch“
Viel entscheidender beim Kennenlernen: die nonverbale Ebene, findet der Buchautor und Mimikexperte Dirk Eilert.
Warum fällt es uns so schwer, Flirtsignale richtig zu deuten?
Weil wir unsere nonverbale Kompetenz verloren haben. Dabei werden wir als Gesichterleser geboren. Kleine Kinder sind darauf angewiesen, die Mimik der Erwachsenen zu deuten. Daher können sie Emotionen in Gesichtern richtig zuordnen, ihre Erkennungsrate liegt bei über 90 Prozent. Bei Erwachsenen liegt die Rate nur bei 50 Prozent - da kann kann auch eine Münze werfen! Mit dem Spracherwerb werden Worte wichtiger und überdecken die nonverbalen Signale. Alle denken, dass bestimmte Sätze beim Flirten wichtig wären. Dabei läuft gerade das Liebeswerben zu 99 Prozent auf nonverbaler Ebene. Es ist viel wichtiger, was ich körperlich und mimisch ausdrücke.
Worte sind völlig egal?
Es gibt einen Turbo im Gespräch: Ähnlichkeit. Ganz egal, ob wir gleiche Filme mögen oder beide joggen. Durch gemeinsame Interessen entsteht Nähe, die man durch gefühlsorientierte Aussagen verstärken kann. Hilfreich dabei: nonverbale Signale durch Spiegel-Aussagen aufnehmen, also so etwas zu sagen wie „Du lächelst?“ Das kommt immer gut.
Gilt das für Männer und Frauen gleichermaßen?
Ja. Ein Tipp noch für Männer: sie sollten auf zuviel Imponiergehabe verzichten. Ihr Testosteronspiegel steigt beim Flirten um 30 Prozent an, was zum Draufgängertum und zur Angeberei führt. Die müssen sich also bewusst bremsen.
Wie wichtig ist der erste Satz?
Ein schlichtes „Hi“ kommt am besten an. Vielleicht noch ein „Hi, ich heiße Dirk“. Das haben Studien ergeben. Wieviele Flirts kommen gar nicht erst zustande, weil man verzweifelt nach einem lockeren Spruch sucht? Ganz wichtig: bevor ich jemanden anspreche, muss es ein nonverbales Signal gegeben haben, einen Blickkontakt. Dabei entscheidet nicht die Dauer, sondern ob der Blick erwidert wird. Je öfter, desto bester.
Kann man Flirten trainieren?
Die beste Schule ist das Leben. Der erste Schritt: unsere Mitmenschen genau wahrnehmen. Nicht auf das Smartphone schauen, sondern in ein Gesicht - dort finden wir die besseren Antworten. Wir können unsere Wahrnehmung trainieren wie einen Muskel, dann fallen uns auch kleinste Regungen auf. Ich denke mir die Worte weg und beobachte nur die Bewegungen im Gesicht. Sogar die Haut denke ich mir weg, aber das ist nicht jedermanns Sache.
Dirk Eilert aus Berlin arbeitet als Trainer und Coach mit dem Schwerpunkt Emotionale Intelligenz. Info: www.eilert-akademie.de
Buchtipp
Was dein Gesicht verrät: Wie wir unsere Mimik und geheime Körpersignale entschlüsseln. 288 Seiten, Droemer Verlag, 20 Euro.
Ein spannender Trip durch die Welt des Gesichterlesens - belegt mit vielen Studien und hilfreichen Tipps aus einem positiven Menschenbild heraus verfasst.